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Das Grauen im Wartezimmer

Mo 07 Sep 2015
von Jennifer Wolff

Kürzlich war ich erst wieder in der Tierklinik, leider. Manchmal finde ich es fast schlimmer, die anderen Hunde leidend in den Wartezimmern zu sehen, als die Krankheiten meiner eigenen Hunde. Ich kann es immer kaum mit ansehen, wie die Hunde völlig ängstlich herumsitzen, versuchen weg zu laufen oder aber ins Sitz/Platz gebrüllt werden... Deswegen musste ich jetzt darüber einfach mal einen Blog-Eintrag schreiben, vielleicht hilft es ja dem Ein oder Anderen diese zugegebenermaßen richtig unangenehme Situation in Zukunft besser über die Runden zu bringen und ich verhelfe damit ein paar Vierbeinern zu angenehmeren Tierarztbesuchen.

Angst kurzgefasst

Eine Angstreaktion ist zunächst einmal etwas ganz normales, jedes Lebewesen empfindet in bestimmten Situationen Angst und Hunde nun mal eben häufig beim Tierarzt.. Hier in diesem Blogeintrag soll es lediglich darum gehen, dass ein Tier Unwohlsein empfindet, ob dies nun als Angst, Ängstlichkeit, Furchtsamkeit oder Phobie bezeichnet werden kann, muss immer individuell entschieden werden. Biologisch betrachtet hat Angst eine sinnvolle Aufgabe: Empfindet ein Lebewesen eine Situation als nicht optimal, so wird dieses Lebewesen Strategien suchen, wie es sich selbst wieder in eine bessere Situation bringt – nichts anderes passiert in der Situation beim Tierarzt. Die ersten Male geht Hund vielleicht noch völlig unbedarft in diese Räume, irgendwann tut es dann aber doch leider weh. Nun kann sich Unwohlsein auf so vielfältige Weise zeigen, dass es vielen Hundebesitzern gar nicht bewusst ist, dass ihr Tier gerade einfach nicht weiß, was er sonst tun soll. Offensichtlich ist es dann, wenn das Tier schon kaum zum Tierarzt hinein gehen möchte, zitternd mit eingeklemmter Rute im Warteraum sitzt, winselt, bellt oder völlig panisch einfach nur noch wegrennen möchte. Das Problem an der Sache ist aber leider, dass das Ignorieren dieser Anzeichen von Angst nicht immer dazu führt, dass der Hund sich in die sogenannte „Erlernte Hilflosigkeit“ begibt, sondern weitere Strategien anwendet, die ihm möglicherweise Erleichterung verschaffen in dieser Situation und das ist nicht selten Aggression.

Wer Fressen kann, ist noch nicht zu aufgeregt und: Fressen beruhigt

Beim Tierarzt gibt es bei mir immer die größten Schweinereien. Denn besonders schmackhafte Dinge können Hunde auch in erhöhten Erregungslagen noch annehmen. Dies bringt gleich zwei Vorteile mit sich: Einmal hat Fressen die Konsequenz, dass sich der Stress reduziert und zum Zweiten kann ich so dem Hund zeigen, was er tun kann anstelle von dem, was er sich als vermeintliche Lösungsstrategie einfallen hat lassen (winseln, weglaufen, im Kreis laufen, andere Hunde anbellen, etc.). Wenn ich also weiß, dass ich zum Tierarzt gehe, dann kümmere ich mich von vornherein darum, dass ich besonders gute Leckerchen dabei habe. Als ich neulich mit Frollein Beere 45 Minuten lang warten musste, haben wir eine dreiviertelte Leberwursttube verspeist – nicht gut für die schlanke Linie, aber manchmal ist mir mein Wohlbefinden ja auch wichtiger als Kalorienzählen beim Schokolade essen. Dafür war sie aber trotz schmerzhafter Untersuchung vorher und nachher durchgehend gut gelaunt und jede Hundebegegnung klappte äußerst gut. Hinzu kommt, dass einfach mal Schlecken lassen oder einfach mal nur so Futter geben beruhigend wirkt auf den Hund. Denn ein Lebewesen, das Futter noch annehmen kann, ist noch nicht völlig im Panikmodus.

Ein Hund kann nicht "nichts" tun

Das ist etwas, was uns Menschen einfach schwer fällt zu verstehen. Ein Hund kann nicht einfach rumsitzen und nichts tun. Hinzu kommt, dass gerade leicht erregbare Rassen schnell aufgeregt sind – da reichen kleinste Geruchsspuren oder Bewegungsreize, um den Hund in eine erhöhte Erregungslage zu bringen. Ein „Sitz“ abzufragen ist gut, wird dies aber nicht ständig belohnt oder aber verschafft dem Hund in der jeweiligen Situation keine Erleichterung, so wird er selbst entscheiden, was ihm Erleichterung verschaffen könnte. Meistens ist dieses Verhalten aus der Sicht von uns Hundebesitzern nicht wünschenswert... Aus diesem Grund überlege ich mir, welche Verhaltensweisen, die meine Hunde gerne zeigen, in bestimmten Situationen Sinn machen und einsetzbar sind.

Alternativverhalten, die Spaß machen

Und nun zum eigentlichen Punkt: Den Alternativverhalten. Alternativ deswegen, weil sie dem Hund eine Alternative anbieten, die wünschenswert ist und eben keine Raum lässt, um Panik zu entwickeln, zu bellen oder zu winseln, denn der Hund ist beschäftigt und sitzt nicht einfach nur rum (was ja, wie ich gerade geschrieben habe aus Hundesicht überhaupt keinen Sinn ergibt).

Bei diesen Verhaltensweisen entscheide ich von Hund zu Hund unterschiedlich, denn jeder hat Dinge, die er gerne tut und die ihm leicht fallen. Frollein Beere stupst unglaublich gern mit ihrer Nase überall dagegen, man sieht richtig, wie sie Spaß daran hat. Also ist das ihr Lieblingstrick, den ich auch im Warteraum der Tierklinik abfrage. Da sie aber gleichzeitig ein Hund ist, der sich gerne und viel bewegt, schaue ich, dass im kleinen Rahmen Bewegung möglich ist. Twist & Turn ist bei der Dame schon sehr gut auch auf Wortkommando abrufbar und schüttet durch den positiven Aufbau und die Bewegung Endorphine aus – diese wirken wiederum antagonistisch zu den Stresshormonen, die sich auf Grund der negativen Situation automatisch anhäufen.
Phoebe hingegen ist eher eine Statikerin, ihr fällt es leicht, in Positionen länger zu verharren, weshalb ich genau diese Dinge auch abfrage. Es ist also erlaubt, dass sie ihre Vorderfüße an mein Knie stellt und dieser Position länger verharrt, sie darf kucken (was für sie unglaublich wichtig ist, denn sie muss immer die Lage abchecken, sonst kriegt sie Frust) und bekommt in gewissen Abständen Click & Keks.

Milow ist ein harter Brocken, denn für ihn ist alles was mit viel Bewegung zu tun hat das Non-Plus-Ultra, was sich aber natürlich auf beengtem Raum schwer machen lässt. Deshalb warte ich mit ihm häufig vor der Tür, am Empfang sage ich Bescheid, dass ich draußen warte und kann dann für den Herrn des Hauses ausgiebig Leckerlis werfen & suchen, um Gegenstände herum laufen lassen und Rückwärts Einparken machen.

Für alle, die sich jetzt fragen: Ja, geht sie denn immer nur einzeln zum Tierarzt: Ja! Gehe ich mit allen dreien zusammen, so setze ich mich auch nicht in den Warteraum, denn das ist auch für mich mit massivem Stress verknüpft, da ich in dieser Situation nicht jedem gerecht werden kann...

Im Notfall: Management

Und damit sind wir schon beim letzten so wichtigen Punkt: Dem Management. Soll heißen, dass ich mir als Mensch möglichst vor der Situation ein Bild davon mache, wie es in der Tierarztpraxis aussieht, welchen Abstand mein Hund zu anderen Hunden braucht und wie ich das Warten möglichst stressfrei gestalten kann.

Bei unserer Augenärztin ist es zum Beispiel sehr beengt, der Warteraum ist enorm klein und häufig sind hier auch Katzen (anderes Thema ;-) ) Deswegen weiß die Arzthelferin schon, dass ich nur kurz Bescheid gebe, dass wir da sind und die Hunde und ich dann im Auto warten, bis wir dran sind. Damit sind wir gleich von Beginn an im Behandlungsraum und keiner muss sich unnötig aufregen. In der Tierklinik schaue ich auch, dass ich einen Platz finde, der für mich und meine Hunde angenehm ist. Das ist manchmal nicht so ganz einfach, denn ich möchte nicht, dass meine Hunde Kontakt zu anderen Hunden haben (denn auch die werden einen Grund haben, einen Arzt aufzusuchen) und alle anderen Lebewesen sollen den Tierarztbesuch auch unbeschadet überstehen können.

Zum Management zählt auch, dass ich bestimmte Verhaltensweisen von meinen Hunden einfach nicht verlange. Wir haben an der Leine einen sogenannten Freizeitmodus, in dem Ziehen erlaubt ist und Hund sich nicht konzentrieren muss, dass er an lockerer Leine geht. Hiermit vermeide ich, dass ich in der aufregenden Situation meinen Hund ständig korrigieren muss und damit noch mehr ins Stressfass laufen lasse.

Ein geniales Hilfsmittel ist auch die Konditionierte Entspannung, die ich vor allem bei Berry gerne in solchen Situationen der Aufregung einsetze, denn sie bietet Körperkontakt von sich aus an und empfindet es als deutlich angenehm, in aufregenden Situationen beruhigendes Streicheln zuzulassen. Aus unsere Lavendelhalstücher verschaffen über einen kurzen Zeitraum etwas Entspannung (müssen jedoch nach jedem Einsatz erst wieder ordentlich aufgeladen werden, damit wir uns hier kein „Ei ins Nest legen“ und den Lavendelgeruch dann doch irgendwann mit Erregung verknüpfen). Phoebe hilft es auch, wenn wir eine bekannte Decke dabei haben, auf der sie auch zuhause gerne schläft, denn hier weiß sie, dass sie einen sicheren Platz hat und ich sorge dann auch dafür, dass dies so bleibt und sie entspannt dort liegen kann (streicheln von fremden Personen oder Hundekontakt sind also nicht erlaubt, außer die Tussi signalisiert, dass sie dies durchaus gerne zulassen möchte in diesem Moment).

 

Ganz ehrlich: Ich habe auch schon bei Schneesturm und Minusgraden vor der Tür gewartet, denn der Warteraum war gnadenlos überfüllt, mein Auto stand sehr weit entfernt vom Eingang zur Praxis und damit war es nicht anders machbar. Milow hat sich gefreut, denn wir haben draußen Schneebälle gemeinsam gebaut und zerstört und er hat gar nicht wirklich mitbekommen, dass es jetzt dann gleich unangenehm werden könnte, denn Bällchen ist für ihn das Größte und deswegen konnte er ganz konzentriert im Fuß in den Behandlungsraum gehen und hat als erste Amtshandlung dort den Schneeball zerstören dürfen, während ich mit der Ärztin besprochen habe, warum wir hier sind.

 

Ich öffne mal die Kommentarfunktion in diesem Beitrag und bin gespannt, ob jemand von euch noch weitere Maßnahmen hat, um seinem Vierbeiner die Wartezeit beim Tierarzt angenehmer zu gestalten.

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Kommentar von Annettte |

Austin hat ganz schlimm Angst und ist entsprechend gestresst beim Tierarzt, da kann ich ihn mit gar nichts ablenken. Außerdem braucht er größeren Abstand zu anderen Hunden, was oft nicht möglich ist. Wenn das Wetter es irgendwie zulässt, bleibt er in seiner Box im Auto, und ich hole ihn erst rein, wenn ich dran bin. Dann bekommt er Rescue-Tropfen bevor wir reingehen. Weil er schon beim Rausspringen aus dem Auto den Rückwärtsgang einlegt, nehme ich ihn gleich auf den Arm und halte ihn gut fest, das gibt ihm Sicherheit.Je nachdem ob Hunde in der Nähe sind, bleibt er auch beim Rausgehen auf dem Arm oder läuft ziehend raus - in dem Fall darf er das!
Austin musste mal über Nacht in der Klinik bleiben. Am nächsten Tag konnten sie seinen Zustand nicht beurteilen, weil er nur teilnahmslos in der Ecke lag. Beim Begrüßen war er ganz der Alte!

Antwort von Jennifer Wolff

Hallo Annette, 
Danke für deinen Beitrag! 
Wenn es mit den Hunden schon so schlimm ist wie bei Austin, dann ist wirklich Management gefragt. Ich finde es toll, wie du Austin und seine Situation wahrnimmst und wie du ihm versuchst zu helfen und es für ihn so angenehm wie möglich zu machen! 
Rescue-Tropfen sind toll und helfen ängstlichen Hunden wirklich immens. 

Alles Gute & einen dicklen Krauler für Austin! 

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