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Die Entdeckung der Langsamkeit

So 12 Jun 2016
von JW ADMIN

Die Entdeckung der Langsamkeit

Spazierengehen ist nicht schwer.

Konfliktfrei Spazierengehen schon etwas mehr.

Sorglos Spazierengehen dagegen doch schon sehr. 

HĂ€ufig frage ich mich: Warum geht man eigentlich spazieren? Da fallen jedem sicherlich einige GrĂŒnde ein: Damit der Hund sein GeschĂ€ft verrichtet, damit der Hund sausen kann, damit der Hund ausgelastet ist, damit man danach in Ruhe seiner Arbeit nachgehen kann. Ok, alles GrĂŒnde, die durchaus möglich sind. Einige wĂŒrden noch hinzufĂŒgen: Um selbst auch ein bisschen abzuschalten.

Nun gut, vor etwas ĂŒber einem Jahr hĂ€tte ich mit drei Jung-Russells sicherlich niemals nicht geantwortet, dass ich Spazierengehe, um abzuschalten. Das war schlichtweg nicht möglich, denn wenn man so verrĂŒckt ist und sich drei Russells innerhalb von 3 Jahren holt, dann gehören entspannte SpaziergĂ€nge wirklich und ehrlich der Vergangenheit an – so dachte ich zumindest damals.

Doch dann habe ich mir an einem verzweifelten Nachmittag die Frage gestellt: WARUM gehst du spazieren? Eigentlich doch, damit die Hunde die Möglichkeit haben die Umwelt zu erkunden, eben Zeitung zu lesen, wie es so schön heißt. Nach lĂ€ngerem darĂŒber Nachdenken kam ich zu dem Schluss, dass das, was meine Hunde unterwegs praktizieren dann definitiv in die Kategorie „Speed-Reading“ fĂ€llt. Eine Nase am Grashalm und schnell weiter. Hm. Also ging ich mal bewusst spazieren.

Die ersten zehn Minuten waren damals wirklich eine reine Katastrophe. Nachdem wir vielen Wildspuren auf dem Spaziergang begegnen, sind alle Hunde an der langen Schleppleine und je nach Tagesform der Hunde werden diese im Laufe des Spaziergangs zu Schleifleinen. Also hatte ich zu Beginn immer damit zu kĂ€mpfen, die Leinen zu entwirren, mich selbst aus dem Salat zu befreien, nicht zu stĂŒrzen und auch die Hunde hatten stĂ€ndig Leinenrucke durch mein zugegebenermaßen miserables Leinenhandling. Nobody’s perfect – zu dieser Zeit war ich wirklich einfach nur ĂŒberfordert und verzweifelt, ich gebe es zu. Jeder wollte riechen, im gestreckten Galopp ging es los zu Grashalm 1, schnell drĂŒberpinkeln und dann ging es auch schon weiter. Hastig eilten sie in alle Himmelsrichtungen und ansprechbar war wirklich niemand. Ich schob es immer darauf, dass sie ja ihre GeschĂ€fte erst erledigen mĂŒssen und dann ruhiger werden. Also vollzogen wir den Spaziergang im Stechschritt durch den Wald. Durchschnittsgeschwindigkeit von 6-7 km/h, damit die Hunde ordentlich traben können (sind ja schließlich Jack Russells) und die Leinen nicht dauerhaft gespannt sind. Ehrlich gesagt war ich nach jedem Spaziergang gestresst und auch die Gesichter meiner Hunde sprachen BĂ€nde: geweitete Augen, hecheln, stĂ€ndiges SchĂŒtteln waren an der Tagesordnung. Wer etwas von Hundesprache versteht, merkt schon, dass dies klare Anzeichen fĂŒr Stress sind.

Also nahm ich mir vor, etwas zu Àndern.

Von nun an begann jeder Spaziergang strukturierter und vor allem: ruhiger. Hierzu ĂŒberlegte ich mir im Vorhinein eine Strategie. NatĂŒrlich musste ich erst Mal sicherstellen, dass keiner der Hunde auf dem Spaziergang so dringend sein GeschĂ€ft erledigen musste, dass es ihm ĂŒberhaupt nicht möglich war, zu denken und sich zurĂŒck zu nehmen. Deswegen ging ich vor dem Gassi auch mit Milow (der sich im Garten nicht löst) eine Runde um den Block. Die MĂ€dels durften sich zuhause erleichtern. Also, angekommen auf dem Spazierweg, Kofferraum auf und alle Hunde an die kurze Leine. Jeder durfte nach dem Aussteigen direkt vor dem Auto eine Futtersuche beginnen. Hierdurch wurde schon mal viel Drang nach vorne genommen. Der Beere fiel das doch etwas schwer, denn sie war auf Spazierwegen grundsĂ€tzlich sehr, sehr aufgeregt. Deshalb musste ich fĂŒr sie nach Futter suchen, dass sie auch in der Aufregung genommen hat und habe ihr das gestreut. Nach wenigen Tagen haben die Schlauköpfe bereits beim Aussteigen aus dem Auto die Erwartungshaltung gehabt, dass nun eine Hand voll Futter auf dem Boden landet und sie suchen dĂŒrfen. Also hatte ich mein erstes Ziel erreicht: Die Hunde nehmen zu Beginn des Spaziergangs Kontakt zu mir auf – was fĂŒr ein tolles GefĂŒhl ;-)

 

- Fortsetzung folgt -

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