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Von fliegenden Deckeln und der Einsicht, dass jeder Schwächen und Stärken hat

oder: warum wir positiv mit unseren Hunden arbeiten
Mi 23 Sep 2015
von Dr. Janey Heine

Heute einmal ein paar Worte meiner "Chefin" und Freundin, Dr. Janey Heine, die seit über fünf Jahren die Hundeschule Dogs Connection führt und sich dem positiven Training verschrieben hat. 

"Ein Vorfall im Kundenstamm hat dazu geführt, dass ich mir gestern sehr viele Gedanken darüber gemacht habe, warum es so wichtig ist, in eine positiv arbeitende, gute Hundeschule zu gehen. In einer guten Hundeschule lernt der Besitzer, seinen Hund richtig einzuschätzen, Veranlagungen anzunehmen und auch die eigenen Grenzen, denn nur dann herrscht ein richtiges Bewusstsein für Situationen, oder eben auch Gefahren.
Nicht jeder Mensch kann jeden Beruf in Perfektion ausüben, niemand würde auf so einen abstrusen Gedanken kommen. Jeder hat Stärken und Schwächen, jeder hat andere Voraussetzungen. Warum wird von Hunden verlangt alle Situationen meistern zu müssen, alles zu können, so wie der Besitzer es sich eben gerade vorstellt? Völlig egal welche Veranlagungen er mitbringt.

Stattdessen wird noch immer in so vielen Hundeschulen darauf beharrt, den Hund erst mal einzuschüchtern, ihm wird gezeigt wo der Hammer hängt, mit viel Druck wird versucht alles zu unterdrücken, was an „falschen“ Veranlagungen mitgebracht wird. Und so wird dem Besitzer vorgegaukelt alles im Griff zu haben, das Gefahrenbewusstsein abgeschaltet, denn vermeintlich hat man ja alles und jede Situation unter Kontrolle.

Und hier beginnt das ganz große Problem.

Der drastische Unterschied zwischen positiv trainierenden Hundebesitzern und deckelnden Hundebesitzern:
Wer positiv mit seinem Hund arbeitet, kennt die Schwächen von jedem, von sich selbst und die vom Hund. Sie sind völlig normal, tagesabhängig, umweltabhängig und und und. Nicht jeder Mensch kann ein perfekter Matheprofessor sein, ebenso wenig kann jeder Hund in jeder Situation all das sein, was der Besitzer gerne hätte. Schwächen und Veranlagungen werden angenommen, Situationen frühzeitig erkannt und/oder gemanagt. Ein deckelnder Besitzer hat meist die Vorstellung, den Deckel immer fest genug runterzudrücken. Egal welche Tagesform er selber oder der Hund hat… Man gaukelt sich vor, alles im Griff zu haben, Probleme gibt es nicht, weil der Hund ja weiß, wo der Hammer hängt und sich nichts traut. Der Hund muss alle Situationen meistern, ob er will/kann oder nicht.

Das Problem am Arbeiten mit Druck ist, dass es immer Gegendruck gibt, dem immer Stand zu halten, macht deutlich mehr Arbeit, kostet Kraft und volle Aufmerksamkeit. Genau deshalb fliegen negativ arbeitenden Hundebesitzern die Deckel eben immer mal um die Ohren, weil kein Mensch der Welt immer 100% Druck ausüben kann, immer auf der Hut ist, denn die Intensität vom Gegendruck wechselt ständig. Da schätze ich doch lieber Schwächen und Situationen richtig ein, arbeite daran, betreibe zum Beispiel mit einer Schleppleine Management, bewege mich schrittweise auf sicherem Untergrund, als Angst zu haben, dass mir der Deckel ins Gesicht knallt. Und das Schlimmste ist, meist wird die Umwelt in Mitleidenschaft gezogen!! Der Deckel im Gesicht und die Landung auf dem Arsch tut zwar auch dem Besitzer weh, wird aber mit noch mehr Druck an den Hund weiter gegeben. Und der Kreislauf beginnt von vorne.

Schätzt Euch und die Hunde richtig ein! Es ist kein Beinbruch Management zu betreiben, den Hund nicht jeder Situation auszusetzen und Dinge zu nehmen wie sie sind. Man muss nicht alles in einen Hund reinprügeln, meine Hunde müssen nicht alles können! Ich würde mit Timon heute zum Beispiel niemals auf eine Hundemesse gehen. Er hat Stress mit fremden Hunden und Menschen, natürlich hat er in kleinen Schritten gelernt, mit alltäglichem Stress klar zu kommen, aber das hat er in für ihn verdaubaren Häppchen gelernt. Nachhaltig gelernt!! Sein Angstverhalten wurde nicht gedeckelt, bis das Stressfass voll ist und einem der Deckel um die Ohren knallt. Ich habe lieber kleine Schritte gemacht und kann mich nun auf ihn verlassen. Ich kenne aber auch seine Schwächen und weiß, wann es Zeit ist, ihn aus einer Situation zu nehmen. Und ich sehe diese Situationen nicht als Problem an, sondern als seine Natur.

Warum wird noch immer von einem so sozialen Lebewesen wie dem Hund verlangt, dass er ein Roboter zu sein hat?!?! Ich werde es wohl nie verstehen. Und jeder, der noch nie positiv und gemeinschaftlich mit seinem Hund gelernt und gelebt hat, tut mir einfach nur leid, Euch geht etwas ab, eine so tiefe Verbundenheit kann man sich nicht erprügeln." 

 

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